Die Politik der Medien: Ein untrennbares Verhältnis?
Über Microblogging und Drehtüren
Die digitalen Social-Media-Kanäle haben die Medienwelt und die Öffentlichkeit verändert. Sie beein-flussen das Verhältnis zwischen Politik und Medien.
Expert:innen haben im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN darüber diskutiert, ob und in welchem Umfang Inhalte, die Politiker:innen beispielsweise über digitale Mikroblogging-Dienste verbrei-ten, die Berichterstattung über Politik beeinflussen. Dabei sei der Einfluss hauptsächlich negativ, habe aber auch positive Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen Journalist:innen und Politiker:innen.
Der Journalist Richard Gutjahr, der die Diskussion moderierte, konfrontierte die Teilnehmenden der Diskussion mit seiner Aussage, dass Politiker die „klassischen Medien“ übergehen würden, indem sie „Messages“ direkt über Twitter in der Öffentlichkeit platzieren würden. Dass Aussagen von Politikern „ungefiltert, direkt zum Bürger gehen, ist ein Fluch“, erwiderte Dr. Melanie Amann, Mitglied der Chefredaktion und Leiterin des Hauptstadtbüros beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel. In dieser „Schicksalsgemeinschaft“, in der „Journalisten viel herauskriegen und Politiker viel für sich behalten möchten“, würden die Journalist:innen der Berichterstattung hinterherrennen, fuhr Amann fort. Wenn User digitaler sozialer Medien die Inhalte bereits direkt von den Politiker:innen vermittelt bekommen hätten, sei es schwierig, sie dazu zu bewegen, „im Spiegel noch darüber einen Artikel zu lesen“. Die „Leute“ würden dann denken, dass „wir nicht mehr darüber berichten, was eigentlich passiert“, und würden dann als „Leserschaft wegbrechen“, analysierte Amann. Als positiven Aspekt beispielsweise der Mikroblogging-Dienste betonte sie, dass Journalist:innen „auf Twitter“ politische Themen „kurz anreißen“ und auf eine umfangreichere Berichterstattung in ihrem Hauptmedium verweisen würden.
Um neue Zielgruppen zu erreichen, müssten „die Qualitätsmedien“ neue Kommunikationskanäle richtig einsetzen, schlug Béla Anda, Kommunikationsmanager, -berater und Journalist, vor. „Ein Tweed als Nachrichtenkanal ändert gar nichts“, gab Anda zu bedenken. Man müsse mit den „neuen Nachrichtenkanälen“ umgehen können und dabei „fehle es oft an Kommunikationsbegabung, um aus Likes Fakten zu schaffen“, erklärte Anda. Er verwies auf die politische Partei AfD (Alternative für Deutschland), die digitale soziale Online-Netzwerke „gut nutze“, indem sie auf dem Videoportal YouTube die Themen platziere, „nach denen sie dann ihren nächsten Parteitag ausrichtet“.
Anda arbeitete mehrmals „auf beiden Seiten“, beispielsweise als Regierungssprecher und auch als Mitglied der Chefredaktion der Bild-Zeitung. Vom Moderator wurde er auf den „Drehtür-Effekt“ da-hingehend angesprochen, ob der Wechsel „von der Politik zu den Medien und zurück“ problematisch sei. „Nein, kein Problem“, erwiderte Anda. Ein Journalist, der „politisch interessiert“ sei, wolle „wissen, wie es auf der anderen Seite aussieht“, wodurch die Tätigkeit als Regierungssprecher für ihn ein Erkenntnisgewinn gewesen sei, führte Anda aus. Amann sah diesen „Drehtür-Effekt“ als problematisch an. „Ich weiß, wie ein Kanzleramt funktioniert, aber vermittle ich das als Journalist noch richtig?“, warf sie ein.