Die vierte Gewalt

Über die Zukunft von Medien und Demokratie mit Richard David Precht - "Ein Public Intellectual muss kein Experte sein“

„Ich würde mir nicht zutrauen, über ‚die Medien‘ ein Urteil zu haben.“ So hat Gregor Peter Schmitz, Vorsitzender der Chefredaktion des „Stern“, seinen Talk mit Richard David Precht eröffnet. Dieser widersprach: Er, Precht, habe sich nicht mit „den Medien“, sondern mit politischem Journalismus, genauer mit Krisenjournalismus befasst.

Der Schriftsteller und zweifache Honorarprofessor für Philosophie hat mit dem Soziologen Harald Welzer gerade das Buch „Die vierte Gewalt“ veröffentlicht. Darin kritisiert er, so der Untertitel des Buches, „wie Mehrheitsmeinung gemacht wird – auch wenn sie keine ist“. Dazu hätten die beiden Autoren, so erklärte Precht, „zentnerschwere“ Medienuntersuchungen bezüglich der Corona-Krise ausgewertet. Bei der Ukraine-Krise sei das nicht möglich gewesen. Aber auch hier habe man eine Asymmetrie vorgefunden zwischen den Umfragen in der Bevölkerung und der Berichterstattung der etablierten Medien, die nur eine Leitlinie vorgegeben hätten.
Das Hauptproblem der Leitmedien sei, kritisierte Precht, dass sie den Stil der „Direktmedien“ (zum Beispiel Twitter) übernommen hätten. Mit 280 Zeichen könne man nur Meinungen „raushauen“. Es gebe nur Schwarz oder Weiß und eine Personalisierung der Debatten: „Auf der Strecke bleibt der wohlmeinende Streit.“
Den Einwand von Schmitz, sowohl Precht wie auch sein Mitautor Welzer seien doch selber perso-nalisierte Marken, mochte der Publizist nicht gelten lassen. Ein Public Intellectual wie er müsse kein Experte sein. So habe er das Impfen von Kindern kritisiert aus dem philosophischen Konzept der Menschenwürde heraus und nicht als Virologe.
Man wisse zudem gar nicht, was das Ziel des völkerrechtswidrigen Angriffs auf die Ukraine sei. Deshalb müssten auch hier viele Perspektiven abgebildet werden. Er finde natürlich nicht, dass es Aufgabe von Medien sei, alle Meinungen in der Bevölkerung eins zu eins abzubilden. Aber Medien sollten ein „Beratschlagungsforum“ bereitstellen. „Sachlich falsche Dinge“ dürften natürlich nicht transportiert werden.
Ob Welzer und Precht nicht reichlich Gelegenheit gehabt hätten, ihre Position darzustellen, fragte Schmitz. Prechts Antwort: sie schon. Aber: Wenn man in einer Talkshow sitze, kriege man am nächsten Tag von allen Zeitungen massive Kritik. „Deshalb traut sich da keiner hin.“
Die Gesellschaft müsse resilienter werden, sagte Precht. Sie solle sich weniger erregen. Bezogen auf die oft geäußerte Kritik, er sei eitel, beklagte er einen Trend zur Psychologisierung.