Neustart nach der Krise - Was muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk ändern?

Ein Herrenchiemseer Verfassungskonvent für die Medien?

Vetternwirtschaft, politische Filter, mangelnde Aufsicht durch die Aufsichtsgremien – die Liste der Vorwürfe gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist lang. Während der MEDIENTAGE MÜNCHEN ist eine externe Kommission vorgeschlagen worden, die sich mit dem Reformbedarf auseinandersetzen solle.

Die Moderatorin Vera Linß legte zu Beginn einer Podiumsdiskussion den Finger in die Wunde und zählte die erheblichen Probleme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf. „Kein Tag vergeht ohne Vorwürfe“, formulierte die freie Medienjournalistin überspitzt. Auch Dr. Florian Herrmann, Leiter der bayerischen Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien, erkennt Reformbedarf und forderte eine „moderne Governance“. So sollte zum Beispiel über eine Vorstandshaftung nachgedacht werden.
Im Zuge einer Grundsatzdiskussion, so Herrmann, könnte eine Art Herrenchiemseer Verfassungskonvent organisiert werden. Klar sei jedoch: „Wir brauchen den öffentlich-rechtlichen Schiffsdiesel, der immer läuft.“ Über Parteigrenzen hinweg sprach sich Tabea Rößner ebenfalls für eine Reformkommission aus. Die Bundestagsabgeordnete (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte jedoch, dass es in der Ministerpräsidentenkonferenz nie Einigkeit gebe, wie die Öffentlich-Rechtlichen zu reformieren seien. Ihrer Meinung nach haben sich die für Medienpolitik zuständigen Landespolitiker oftmals „einen schlanken Fuß gemacht“ und die Sendeanstalten ihrer Länder von Reformen verschont. Zudem seien die Aufsichtsgremien unzureichend ausgestattet. „Der Beitrag folgt dem Auftrag“, stellte Tabea Rößner fest und warnte daher davor, das Vertrauen in der Bevölkerung zu verspielen und die Akzeptanz für den Rundfunkbeitrag zu riskieren.
In Bezug auf den Bayerischen Rundfunk (BR) berichtete Thomas Hinrichs von durchaus starken Kontrollorganen. Im BR-Verwaltungsrat gebe es seiner Beobachtung nach große Expertise, sodass er sich als Programmdirektor Information manchmal in dem Gremium „gegrillt“ fühle. Hinrichs betonte, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk für alle Menschen da sein müsse, und hob etwa die Bedeutung von kostspieligen Sportrechten für die Integration der gesamten Bevölkerung hervor. Selbstkritisch räumte er ein, dass der Bayerische Rundfunk im Digitalbereich besser werden müsse. Allerdings gebe es etwa mit funk ein Angebot, das bei jungen Menschen sehr erfolgreich sei.
Dr. Wolfram Weimer verglich die aktuelle Situation mit dem Griff in die Supermarktkasse, während zugleich das ganze Geschäft in Flammen stehe. Nach Ansicht des Publizisten und Verlegers (The European, WirtschaftsKurier) ist „ein Neustart überfällig“. Er bemängelte Doppelstrukturen bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ebenso wie bei den aus seiner Sicht zu vielen Landesmedienanstalten. Fusionen von kleineren Anstalten seien deshalb denkbar. „Wir haben das teuerste System der Welt, nur für Senioren“, kritisierte Weimer mit Blick auf das überdurchschnittliche Alter des Nutzer:innen von ARD und ZDF. Komplett in Frage aber mochte er den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht stellen: „Wir dürfen das Feld nicht den Despoten und kalifornischen Superkapitalisten überlassen.“